Von der Wüste und vom MeerLeseprobe »Segeln gegen den Alltag«
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Segeln gegen den Alltag

Viele Menschen versäumen das kleine Glück – während sie auf das große vergebens warten! Pearl S. Buck

Ein Zitat, das mein Herz streichelt – geht es doch in diesem Kapitel darum, wie man mit Kleinem Großes erreichen kann.

Es gibt gegenwärtig eine große Anzahl von Menschen, die, ohne voneinander zu wissen, doch alle durch ein gemeinsames Los verbunden sind: Burnout. Hetze, Ehrgeiz, Perfektion, ständige Erreichbarkeit, mediale Überflutung prägen ihr Dasein. Wirklich helfen kann nur eine andere, neue Lebensperspektive. Die aber findet man nicht aus eigener Kraft. Die Tage vergehen zumeist in der Einsamkeit einer großen Stadt. Betroffen sind vor allem Lehrer, Geschäftsleute, Studenten, Sportler, Intellektuelle aller Art und Freiberufler. Und da sie an ihren Arbeitsstellen (in Büros und Werkstätten) sitzen und stehen, beruflich angespannt tätig sind und die Last der Aufgaben sie erdrückt, vergessen sie häufig ihr eigentliches inneres Sein.

Wie ich auf dieses Thema komme? Ich bin umgeben von relativ jungen Menschen, die unter hohen, nicht fassbaren Ansprüchen leiden, und Etablierten, die sich »festgefahren« haben. Es gibt auch viele, die sich bei mir übers Internet oder telefonisch dazu äußern. Der Umgang mit neuen Technologien, die hohen Anforderungen im Berufsleben, der Papierkrieg und privater Stress, die zunehmend unser Leben bestimmen, führen sie zu mir. Zum einen, weil sie Segelinteressierte sind und sich einen Aufbruch mit einem Boot zu neuen Ufern gut vorstellen können, zum anderen, weil ich diesbezüglich Erfahrungen in fast alle Richtungen habe. Ich kenne noch das ursprüngliche Segeln. Habe mir mit den Händen auf dem Vordeck das Segeln erarbeitet und damit verinnerlicht. Kenne aber auch die neue Seite: Rollsegel, GPS, automatische Piloten, die das Seesegeln einfacher machen.

Der Fluch der Eile und die allgegenwärtige Überforderung macht viele Menschen krank. Das ist ihr Problem, sie leiden. Viele glauben, mit Segeln diese missliche Lage überwinden zu können. Sie haben zwar eine tolle Uhr am Arm, aber keine Zeit. Ich denke, je virtueller die Welt wird, umso mehr wünschen sich die Menschen das Fassbare.

Und wirklich, eine Lösung ist, mit einem Boot auf dem Wasser zu sein. Das erlaubt mir für eine gewisse Zeit, weitgehend ohne Verpflichtungen zu leben. Segeln ist eine faszinierende, vielseitige Beschäftigung. Einen selbstbestimmten Kurs zurücklegen zu können, ist der Traum. In der Distanz zu unserem Alltag gewinnen wir Freiheit und Lust und Gesundheit. Kaum irgendwo sonst lässt sich besser »weg sein« als draußen auf See. Die Stille und eine gewisse Langeweile, wenn man mit einem Boot vor Anker liegt, sind das beste Mittel gegen Katatonie. Dazu passt eine Umfrage in Schweden: Segler fühlen sich nicht nur gesünder, sondern auch glücklicher und zufriedener als Nichtsegler.

Die Menschen, die sich bei mir melden, sind selbstverständlich auf Wasser, Boot und Segel fixiert. »Ich würde sooooo gerne segeln, wegsegeln, nur, wie fang ich es an?« – »Ich liege zur Zeit im Krankenhaus. Der Alltag hat mich krank gemacht. Was tun?« – Oder: »Mein altes Leben ist unter mir weggebrochen, ich möchte ein neues beginnen, etwas mit Boot und Meer.« – Oder konkret: »Ich suche ein Ziel, eine Herausforderung. Ein Boot habe ich, auch brauchbar für Kap Hoorn, nur traue ich mich nicht. Können Sie mir helfen?« – »Als normale Seglerin möchte ich den Alltagsstress achteraus lassen und mal auf dem Ozean in Stille und Weite treiben. Wie kann ich das umsetzen?«

All das sind Zitate aus Briefen, die mich erreichen. Hier noch einige Zeilen eines Zahnarztes, der unbedingt aufs Wasser möchte: »Einen ganzen Sommer lang auf Ihren Spuren auf der Ostsee … ganz simpel, ohne Motor und Telefon.« Und weiter: »Ich schmeiße meine Praxis hauptsächlich hin, um den berufsbedingten Papierkram und dieses ganze Trara loszuwerden. Ich bin an einem Punkt, wo ich Einsamkeit brauche, wo ich mich anhalten muss, um nicht zu denken und das, was man Leben nennt, mehr genießen zu können. Ich möchte einfach mal ohne Terminplan leben, im Cockpit liegen und in die Wolken schauen.«

Segeln als Rückzug verheißt ein anderes Klima, einen radikalen Bruch mit dem Alltag, einen Stimmungswandel und Freiheit für meinen Kopf. Klar, auch Freiheit für mein Leben. So empfand ich es schon immer. Wenn mir ein Ziel fehlt, mich Unzufriedenheit quält, mich gesundheitliche Schwächen plagen, mein Leben generell in einer Sackgasse steckt, kann Segeln mir helfen, den Schmerz zu vergessen. Schon der Gedanke daran führt zu einem Gefühl von Aufatmen. Ich erwarte Bilder von hohen Wolken, Bugwasser und Gischt und frische Luft. Segeln bedeutet auch wagen, selbst wenn es nur entlang der Küste geht. Dennoch schön: Die Hand an der Pinne, Wind in den Haaren, Bug und Heck markieren die Grenzen meines Reichs. Ist man ausgerüstet für viele Tage bedeutet das Unabhängigkeit und erfüllte Sehnsucht.

Und so verwandelt sich die Desasterstimmung, die jeder zunächst beklagt, genau zu dem, was ich als mehr Leben bezeichnen würde. Was alle glücklich machen würde, wäre der Raum. Denn was man mit einem Boot erwirbt, ist Raum, Leere, weites offenes Wasser. Und ein Ausmaß an Zeit, ohne in Zeitpflicht zu sein. Das ist viel wert. Und das findet man am ehesten mit einem Segelboot.

Einfach abhauen. Grenzenlose Freiheit winkt. Man muss sich nicht dem Diktat eines Fahrplans unterwerfen. Es ist schön, ein Boot ganz für sich allein zu haben. Niemand sagt dir, was du zu tun hast. Du segelst einfach, wann und wohin du willst. Weit weg und doch ganz nah. Die Wahrheit ist, dass man in dem Hafen oder der Bucht, auf die man zusegelt, glücklich sein wird. Das ist dann die beste Stimmung für einen wirklichen Aufbruch. Man ist willens und offen für alles.

Ist man aber in besagter »ausgebrannter« Verfassung, geht es meist nicht mal eben einfach auf und davon. Zumindest nicht mit einem Segelboot. Ein Boot, das dich trägt und sicher über See segeln kann, ist aufwendig, und es gehört einiges an Wissen dazu, es zu handhaben. Um das umzusetzen, braucht man Zeit und finanzielle Mittel. Das eine geht ohne das andere nicht.

Oft scheitert der Traum vom Ausbruch aus dem Alltag an zu hochgesteckten Zielen. Ostsee mit einer tollen Yacht ist nicht genug, nein, mein Schiff kann mehr. Und so wandert der Finger weiter über die Seekarte: Ein Jahr Karibik und zurück wäre perfekt. Oder gleich um die Welt.

Doch das lässt sich nicht von heute auf morgen verwirklichen. Also wird das Ziel hinausgeschoben: In drei Jahren, in fünf Jahren will ich oder wollen wir über den Ozean und meinen/unseren Traum vom Segeln erfüllen. Indes: Zu oft kommt etwas dazwischen. Gesundheitliche Probleme tauchen auf, die Mittel reichen nicht, die Frau will nicht. und schlimmstenfalls: Ich habe zu viel Respekt vor der Aufgabe.

Ganz übel sind diejenigen dran, die alles Material zusammen haben und den Absprung dennoch nicht schaffen. Es fehlt ihnen an Kraft. Kraft, die in eine lange Vorbereitung für eine perfekte Reise investiert wurde. Das war es dann wohl. Alles, was für die Entstigmatisierung getan wurde, ist verpufft.

Dabei gibt es Alternativen, um zu einer ungewöhnlichen Segler-Auszeit zu kommen: Kleinkreuzer mit Schlupfkajüte, offene Segeljollen oder geschlossene Jollen. Unsere Küsten, Inseln und Seen, beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein oder die Dänische Südsee bieten einige gute Möglichkeiten, um »wild« zu segeln und zu leben. Luft zu holen in Stille und Einfachheit. Und es ist ganz wichtig, unterwegs unerreichbar zu sein, um zu sich selbst zu kommen. Man ist der Natur nah, muss den Kopf anstrengen und ist sportlich unterwegs. Muss die Balance halten von Körper und Boot, die Segel optimieren und die Manöver fahren, die erforderlich sind. Das ist nicht vergleichbar mit Laufen, Nordic Walking oder an Maschinen trainieren im Fitnessklub. Schön ist: Das Vorhaben Segeljolle ist im Handumdrehen umsetzbar. Man muss es nur wollen und sich trauen. Auch als Anfänger, dem es an Wissen und Können fehlt. Ein langes Wochenende Segelschule ist nützlich. Gute Boote gibt es hierzulande jeden Tag zu akzeptablen Preisen. Ein Blick in Fachzeitschriften bietet einen Überblick.

»Wanderjollen sind von vorvorgestern.« Lassen Sie sich von solchen Sprüchen nicht verunsichern. Ich jedenfalls fühlte mich, als ich damit unterwegs war, auf der Höhe der Zeit. Mechanisch gesegelte Boote sind ein Gegenpol in einer Welt, die sich immer schneller dreht und die zunehmend technisch-digital funktioniert. Doch wie so oft im Leben ist das Einfache das Echte. Aber einfach sein ist nicht immer leicht, schon gar nicht segeltechnisch betrachtet. Deswegen hat ein kleines Segelboot für eine Auszeit nur Vorteile. Man kann Ausrüstung, Kleidung und Proviant in wenigen Tagen an Bord tragen und ist klar für eine monatelange Aktivreise. Vermisse ich etwas, kann ich es in der Regel unterwegs besorgen. Mecklenburg ist ja nicht Patagonien. Und wenn ich die Dänische Südsee besegle, bin ich im Seglerparadies.

Neben einem guten Gefühl ist der Umgang mit dem Wetter wichtig. Man darf es nicht als Feind betrachten und fürchten, sondern sollte es als eine Herausforderung und einen Anreiz sehen, der die Funktionen unseres Körpers trainiert und uns damit auch stärker und vor allem lebendiger machen kann. Allerdings müssen wir uns dann dem Wetter aussetzen, anstatt uns davor zu verstecken. Denn mit ein Grund für zunehmende gesundheitliche Beschwerden ist sicherlich unsere Entfremdung von der Natur. Befinden wir uns doch an Land die meiste Zeit in geschlossenen Räumen.

Es ist auch möglich, mit einem kleinen Kajütboot über die Ostsee zu segeln. Stückweise auch mit einer Jolle. Das bedeutet jedoch, mal einen Kurs aufzugeben, wenn sich der Wind zum Starkwind entwickelt oder gar unangenehm von vorne kommt. Auf verschiedenen Etappen ist mir das schon passiert. Ich bin zurückgesegelt, obwohl die Hälfte meiner Strecke im Kielwasser lag. Wann aber ist es angebracht, die Segel zu streichen? Eine solche Entscheidung fällt nicht leicht, wenn die Meilen zuvor nass und anstrengend waren. Aber im Nachhinein weiß ich, dass sie richtig war. Liege ich dann vor Anker oder im Hafen, denke ich: Oh, wie schön, wie großartig. Koche mir einen Kaffee und stelle fest: Nix defekt, nix verloren. Es geht mir gut im Windschutz des Sülls mit dem Becher in der Hand. Das sind die Dinge, um die es geht. Reis mit Cheddar und gebackenen Bananen, Tomaten auf Toastbrot. Nicht schlecht für eine Mahlzeit in einer einsamen Bucht. Und irgendwann fahre ich dann weiter.

Viele Aspekte des Jollensegelns sind eine Metapher für das richtige Leben. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, darf man nicht gleich die Nerven verlieren. Und überhaupt geht es nicht darum, Strecke zu machen oder schnell zu sein. Reisen in der deutschen Idylle ist: Espresso, Lesen, Fische fangen, an Land sitzen und sein Schiff bewundern, wenig reden und sich treiben lassen.

Das Risiko eines Ostseetörns ist begrenzt, sofern man vier Dinge im Auge behält:
Erstens: Von Vorteil ist ein Radioempfänger, damit man stets über die Wetterlage Bescheid weiß. Vor der Abfahrt sollte man unbedingt das Wetter beobachten und unterwegs immer im Blick behalten.
Zweitens: Sich bloß keinen Kurs erzwingen wollen. Segelflächen rechtzeitig reffen. Eine Jolle will nicht vergewaltigt werden.
Drittens: Vorbereitet sein mit Kurs, Ausweichmöglichkeiten und Seezeichen. Gegebenenfalls sollte man sie auf einem Spickzettel notieren, den man bei sich trägt oder der im Cockpit klebt.
Viertens: Man weiß nie, wie eine Kenterung ausgeht. Die meisten Jollen haben Auftriebskörper montiert. Dennoch: Sicherheitsgurt und Rettungsweste sind unverzichtbar. Das Handy, wenn gewünscht, sollte man im Tupperbehälter mitführen. Alle beweglichen Teile, die man nicht verlieren möchte, müssen festgelascht werden.
Zugabe: Für Schlechtwettertage im Hafen oder in einer Ankerbucht sollte man ein paar Bücher einpacken – die, die Sie schon immer gerne lesen wollten.

Aufgrund der Größe des Bootes und der Handhabung an Bord hält das Segeln über See und in Küstenrevieren Sie körperlich fit. Trimmen, Steuern, Ankern, Schwimmen, Kurzbesuche am Strand – Abwechslung ist immer geboten. So entdecke ich die eigene Beweglichkeit und die eigene Lebendigkeit wieder. Ich spüre das Wetter, Regen, Wind, Sonne, Sterne, Hitze und Kälte wie nie zuvor.

Wichtig ist natürlich beim Segeln, Körper, Kopf und Füße entsprechend zu schützen. Bei dem reichhaltigen Angebot an Ölzeug und Funktionswäsche sollte es heute kein Problem sein, die richtige Kleidung für jedes Wetter zu finden. Durch das mobile Reisen kann es gelingen, die Angst vor zu viel Wind, vor Regen, Gewitter und Navigation abzulegen. Meine jugendliche Gelassenheit gegenüber dem Wetter verdankte ich sicherlich meinen ersten großen Reisen. Auf meinen Ozeanfahrten habe ich Wetterberichte weder über Funk noch Radio erhalten. Ich nahm das Wetter, wie es kam.

Eines meiner schönsten Jollenerlebnisse auf der Ostsee war, bei strömendem Sommerregen den ganzen Tag über von Årøsund bis in die Schlei an der Pinne zu sitzen. Allein. In der einen Hand das Ruder, in der anderen eine Pütz, mit der ich die Bilge lenzte (meine Jolle hatte keine selbstlenzende Plicht). Was ins Boot regnete, lief nicht ab, es schwappte über die gesamte Bilge und an den Bordwänden hoch. Das rhythmische Klatschen des Wassers – innen wie außen – war die Quelle, die mir die nötige Kraft und Lust gab, solch ein Wetter über Stunden zu genießen. Es war ein unverwechselbares Erlebnis, weil sich die Natur zugleich weich und mild zeigte. Land war nicht auszumachen, in Sichtweite nur Wasser und mein kleines Boot. Ein herrliches Gefühl, so als gäbe es auf der Ostsee nur mich. Als Krönung ankerte ich später am Schilfsaum auf schimmerndem Wasser. Das Wasser war bläulich, aber so klar, dass ich kleine Sandhügel am Grund erkennen konnte, beinahe so, als ob gar kein Wasser da wäre. Ringsum wuchsen dunkelgrüne Schilfstängel aus dem Boden, welche sich in der leichten Strömung wiegten. Ich konnte diese Strömung fühlen. Es gibt keine einsameren Orte als flache und geschützte Ankerbuchten.

Diese Unabhängigkeit ist leicht finanzierbar. Man zahlt dafür nicht mehr als für einen Pkw – einen Golf zum Beispiel. Darin eingerechnet Ausrüstung und die gesamten Kosten eines Sommers.
Und los geht’s. Let’s sail!

Einmal habe ich eine monatelange Jollenreise nach Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern unternommen. Allerdings aus Interesse an der Landschaft, aus Neugierde und aus sportlichen Gründen. Wohl auch aus historischem Interesse, denn es war 1990, das Jahr nach dem Mauerfall. Da ich an Bord meines »Zugvogels« keinen Motor hatte, wurden die Kanalstrecken in Mecklenburg-Vorpommern seglerisch zur Herausforderung. Ich machte mir ein Spiel daraus, wie ich jeden Wind, der größtenteils durch Busch und Bäume am Ufer abgedeckt war, zu nutzen versuchte. Man konzentriert sich dabei so sehr aufs Segeln, dass man alles andere vergisst.

Einen Segelschein braucht man für solche Jollentörns nicht. Aufgrund des geringen Tiefgangs kann man überall dicht ans Land heran. Wild und frei an Bäumen festmachen und übernachten, nah am Ufer, vor Schleusen und wo auch immer. Total romantisch. Ich war traurig, als meine Reise zu Ende war.
Auch im Hinblick auf die Umwelt war diese Jollenreise vorbildlich. Ich hatte danach kein Segel verschlissen, keine Instrumente zum Wegwerfen (außer Kompass und Radioempfänger war ja nichts vorhanden), keine Reparaturen. Sicherlich alles nachhaltig. Gekocht wurde mit Petroleum auf einem einflammigen Kocher.

Diese Art Ausbruch kann ich empfehlen. Er ist schnell umsetzbar. Und man wird ihn nicht vergessen – wenn man sich Zeit nimmt. Solch eine Fahrt ist auch gut und gesund, wenn sie nur über wenige Wochen geht, doch sie prägt sich noch stärker ein, wenn man einen ganzen Sommer lang seinem Alltag entflieht. Davon kann man dann Jahre zehren.

Normalerweise fühlt man sich anschließend gestärkt und neu belebt. Meine Frau meint allerdings: »So einfach ist das nicht. Nicht jeder, der sich eine Auszeit wünscht oder nötig hat, hat die Möglichkeit, sie mit einem Segelboot umzusetzen. Es gibt im Normalfall die Familie, den Beruf, die festen Kosten. Und was ist, wenn ich von meinem Segelsommer zurückkomme?« Doch auch dafür gibt es häufig Lösungen, wenn man wirklich will. Und: Zur Gesundung gehört von vornherein aufgeben, um danach völlig neu anzufangen.

Eine Einschätzung bleibt: Warum zum Arzt gehen, wenn es mit einem Boot so viel einfacher ist und so viel mehr Nutzen für mich bringt? Erst kürzlich hat eine Frau Segelurlaub von ihrer Krankenkasse genehmigt bekommen.

Gut, dann gibt es natürlich noch die dritte Variante für die große Auszeit: Seesegeln. Mit einem seetüchtigen Segelschiff loszufahren, um sich zu verändern und Gelassenheit zu gewinnen, ist ein völlig anderes Kaliber. Dafür ist es allerdings sehr wichtig, das richtige Boot, die richtige Ausrüstung zu wählen. Das kostet Zeit, dafür braucht man Wissen und muss auch mehr Geld hinlegen. Voraussetzung für einen gelungenen Segeltörn sind Rumpf, Takelage, Ruderanlage des Bootes. Dicht sollte das Boot ebenfalls sein und eine gute Maschine haben. Das wäre die wünschenswerte Basis. Die allerneuesten Modelle der modernen Werften sind für entschleunigtes Reisen auf dem Wasser eigentlich weniger geeignet. Nichts daran ist nachhaltig. Nichts daran ist vernünftig. Die Technik löst manuelles Segeln ab: Rollreff und Elektrowinden für die Segel, eine Tauchplattform am Heck, Mikrowelle, CD-Spieler, Seekartenplotter, Kaffeemaschine, Heizung. Weder kommunikative Einbindung noch Kühlung und fließend Wasser fehlen. Auch sonstige Konsumwünsche lassen sich leicht erfüllen. Doch wenn all dieser Plunder aus unserem Alltagsleben mit an Bord kommt, lässt sich schwerlich in eine effektive Auszeit starten. Sicherheit und Wohlbefinden sind wichtig, und vor allem sollte man den Kopf frei haben fürs Segeln.

Wer in See sticht, soll sich in erster Linie dem Segeln hingeben – das ist und bleibt für mich das Wesentliche. Eine Voraussetzung dafür ist, dass man möglichst wenig Technik zu warten hat, nichts reparieren muss und sich nicht durch fremdbestimmte Aufgaben wie Bloggen ablenkt. Nur so hat man die Möglichkeit, schön langsam zu leben und nicht immerzu ans Materielle zu denken.

Damit bekommt die Erfahrung des Segelns einen ungeahnten Tiefgang. Und dies unabhängig davon, für welche Variante man sich entscheidet: Ob man mit einer Jolle die Dänische Südsee erkundet, ob man mit dem Kajütkreuzer über die Ostsee fährt oder mit einer Segelyacht die Karibik bereist und in die exotische Fremde eintaucht.










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Von der Wüste und vom Meer
400 Seiten, 38 Farbfotos, zahlreiche
S/W-Fotos und Karten, gebunden
Hoffmann und Campe
EUR 22,99
ISBN 978-3-4555-0268-8

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