Ingeborg und das MeerLeseprobe Kapitel 5 »Insel der Träume«
   Home | Kathena aktuell | Nonstop | Bücher | Segeltörns | Seemannschaft | Vita | Archiv | Impressum
Insel der Träume

Später – ein paar Stunden später – vergleichen wir im Cockpit die Seekarten. Ingeborgs Kurs führt in Schlangenlinien über die Karte, der von KATHENA schnurgerade auf Barbados zu. Acht Tage Startdifferenz können in der allgemeinen Wetterlage viel ausmachen. Wir hatten mehr Glück. Nur an den letzten Tagen genossen beide Boote den gleichen Wind. In keiner Karte ist Ingeborgs Müdigkeit verzeichnet, das Brennen in der Lunge, das Zucken der nervösen Lider. Sie hat alles gemeistert.

Der Zoll kommt kurz an Bord, und mit drei Unterschriften ist die Einklarierung erledigt. Ich darf nach 33 Tagen alleine auf See an Land. Wir gönnen uns einen Rum-Punch. Beim Segelclub gleich gegenüber landet man mit dem Dingi am Beach. Herrlich, der Sand makellos goldgelb, die Bäume mit dicken Blüten wachsen bis dicht ans Wasser, im Schatten sind Tische und Stühle verteilt und eine dickliche Schwarze serviert die kühlen Drinks. Wir bestellen einen echten Barbados Rum-Punch mit sehr viel Eis, damit die Gläser beschlagen.

Ich will noch ins Vereinsbüro meine Post abholen. Oh Gott, welche Enttäuschung. Nichts, aber auch gar nichts ist für ULTIMA eingegangen. Nicht mal eine armselige Postkarte. Meine Freunde dachten wohl, sie könnten das Porto sparen. Kein Mensch in Deutschland hat geglaubt, dass ich es mit dem Trimaran schaffe. Nicht mal mein Segelverein in Emmerich. Niemand aus Düsseldorf. Bin sehr niedergeschlagen. »Vergiss es«, sagt meine Tochter, »genieße dieses wunderbare Abenteuer. Hier ist die Karibik und nicht Düsseldorf.« – Ja, alles hat seine Vor- und Nachteile.


Die englischen Clubs sind unglaublich gastfreundlich. Man kann das Süßwasser unbeschränkt laufen lassen, für uns einfach unfassbar nach all den wasserarmen Tagen. Keiner verlangt Liegegebühren oder Ähnliches. Mit uns liegen an die 20 Besucheryachten vor Anker – total windgeschützt in der Stille der Carlisle Bay. Die meisten kennen wir aus Las Palmas, und täglich kommen neue hinzu. »How many days?«, ist die Begrüßungsfrage, und wir stellen mit Erstaunen fest, dass wir mit 33 und 25 Tagen gar nicht so schlecht gesegelt sind.

MORI mit einem deutschen Ehepaar ist noch nicht da und LOTUS aus Berlin mit den beiden Medizinern am Tag zuvor angekommen. Die haben sogar einen Weihnachtsbaum im Rigg hochgezogen und laden Ingeborg zu einem Essen ins Hilton Hotel ein. Ein weiterer Trimaran von 40 Fuß brauchte mit vier Mann an Bord sogar 39 Tage. Alle anderen, die um den 20. November gestartet sind, liegen bei 32 bis 45 Tagen. Die Yachten, die Anfang Dezember von Las Palmas auf Kurs gegangen sind, hatten bedeutend bessere Passagen. Hängt alles vom Nordost-Passat ab.

Ich bin bannig stolz auf mich, alles Unangenehme ist vergessen. Die Sonne scheint, das Wasser hat 26 Grad und ist glasklar. ULTIMA schwoit friedlich vor Anker. Ich bilde mir ein, dass auch sie stolz ist. Alles völlig heil geblieben, nichts zu Bruch gegangen. Eine Werft braucht sie nicht. ULTIMA, du bist das schönste Schiff der Welt. Es gibt kein besseres Segelboot. In England von tüchtigen Bootsbauern, die ihren Beruf lieben, gebaut. Danke nach Great Yarmouth. Ich bin überzeugt, dass mein Schiff weiter handfeste Stürme abwettern kann. Ich springe ins Wasser und schwimme ein paar Mal ums Boot. Das tut gut. Meine Kinder servieren an Bord das Essen und einen Drink, hoffe ich.

Weihnachten ist Hochstimmung in Bridgetown. Bis tief in die Nacht ist in der lauen Sommerluft das rhythmische Trommeln der Steelbands zu hören. Das Fest feiern wir zusammen mit den hier vor Anker liegenden Seglern der anderen Yachten. Am Strand des Yachtclubs wird am offenen Feuer Fleisch gegrillt, und es gibt Rum mit Cola. Wir sitzen und plaudern, machen Pläne, sind fröhlich, tanzen und lassen die nackten Füße durch den weichen Sand gleiten. Ein einsamer Ruderer auf COLD COMFORT ist auch dabei. Er brauchte 72 Tage von Las Palmas bis Barbados. Ganz erstaunlich ist sein Gesundheitszustand, besonders weil er nicht der Jüngste ist. Ich schätze 60 Jahre.

Diese Tage vor Anker werde ich nie vergessen. Die Erlebnisse auf See bleiben indes bei mir. Vor allem weil ich mich nicht traue, etwas von unterwegs zu erzählen. Es fragt auch keiner speziell danach. Gut, Astrid und Wilfried tun es, sonst kein Mensch. Wilfried will gern länger schlafen, aber Astrid und ich sind schon beim ersten Tageslicht im Wasser. Als Erste von all den Crews. Es ist so schön, vor allem still. Wir wollen nicht mal reden. Danach gibt es ein großes Frühstück entweder auf ULTIMA oder KATHENA. Anschließend Arbeit auf beiden Schiffen. Gegen 11 Uhr rufe ich Astrid und halte eine Flasche Bier hoch. Wilfried mag das gar nicht, aber wir umso mehr. Er denkt, wir seien Trinker, aber das sind wir natürlich nicht, denn es bleibt bei einer Flasche.

Die Südlichen Antillen sind durchweg vulkanischen Ursprungs. Barbados, die östlichste Insel, liegt zirka 80?Meilen vorgelagert und ist eine Ausnahme. Sie zeigt Tiefseeablagerungen, sodass man annimmt, dass die Insel einst ein Teil des Meeresbodens gewesen ist. Ihr vermutlicher Ursprung sind Riffkalke, die emporstiegen und so die Inseln bildeten. Die Berge sind um die 300 Meter hoch, bei klarer Sicht 30 bis 40 Meilen weit zu sehen. Im Gegensatz zu den anderen Inseln hat Barbados helle Sandstrände, die auf der Westseite mit Palmen und ­Blütenbäumen bis ans Wasser herunter bewachsen sind.

Barbados ist die bunteste der Inseln. Das zeigt sich in der Stadt und auch in der Mode. Die Frauen tragen Kleider mit ­irren Farben. Die Bevölkerung ist besonders freundlich und macht insgesamt einen zufriedenen Eindruck, allerdings fällt auf, dass die Briten ganz für sich am Stadtrand von Bridgetown leben. Einen Abend gehen wir in eine richtige Rum-Punch-Bar. Nach kurzem Trinkgelage wollen wir nur noch zurück an Bord. Wir schleichen bis zum Yachtclub und finden das Tor verschlossen. Es bleibt in unserem Zustand nur eine schwierige Kletterei und ein Zusammensinken am Strand.

Die Insel wurde 1519 von den Spaniern entdeckt und hatte zu unserer Zeit 1969 250.000 Bewohner. Die Haupterzeugnisse sind Zuckerrohr, Bananen, Baumwolle und Rum. Eine Rundfahrt über die Insel ist ein grünes, wucherndes Erlebnis. Die Bananenstauden sind alle mit weißen Plastiksäcken umwickelt. Keine Ahnung, warum.

Wie in vielen Ländern bestanden schon damals Rassenprobleme, die sich leider mehr und mehr zuspitzten, wenn auch die karibischen Inseln als am weitesten fortschrittlich angesehen wurden. Wirkliche Schwierigkeiten hatte Ingeborg nur auf Antigua und St. Thomas. Auf beiden Inseln waren die Zoll- und Polizeibeamten mehr als unhöflich. Und sie wurde gewarnt, abends nicht alleine auszugehen.





Klicken Sie auf die Bilder, um eine Bildergalerie aufzurufen.



Ingeborg und das Meer  |  Neu
208 Seiten, 58 Fotos, Faksimile und Karten, gebunden
Delius Klasing Verlag  |  EUR 29,90
ISBN 978-3-667-12698-6

Bestellen bei:
 


Home  |  Kathena aktuell  |  Nonstop  |  Bücher  |  Segelreisen  |  Seemannschaft  |  Vita  |  Archiv  |  Impressum
  |  Optimiert für eine Auflösung von 1024 x 768 Pixeln  |  Gestaltung: www.erdmann-design.de