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Meldungen von Wilfried Erdmann
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Zwölf Gründe, nonstop um die Erde zu segeln  |  2. Juni 2010


Die magische Route
248 Seiten, 98 Farbfotos,
10 Karten, broschiert
Delius Klasing Verlag
EUR 12,90
ISBN 978-3-7688-0787-8
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Am 6. Juni vor 25 Jahren beendete ich meine erste Nonstopumseglung. Von Kiel nach Kiel in 271 Tagen. Als erster Deutscher allein um alle Wetterecken der Erde. Ich bin seither immer noch der einzige deutsche Nonstopsegler. Hier jetzt eine Reihe Ermunterungen für Segler, die noch nicht so genau wissen, wie ihr Leben läuft, genauer: die, die Herausforderung suchen.

1. Das Schiff

Vor allem Anderen steht das Schiff. „Kathena nui“ nahm schon vor der Reise mein ganzes Denken ein. „Wilfried aufwachen,“ hieß es häufig am Essenstisch, wenn ich mich zu Hause nicht an den Gesprächen beteiligte. Ich dachte bei meinem Neubau für die Nonstopumseglung an Blechstärken, Segelplan, Beschläge, Griffleisten, Winschen, Kojengrößen. Die Themen gingen mir nicht aus. Das Schiff sollte dicht sein. Absolut dicht! Also bekam es vollverschweißte, wasserdichte Sektionen und metallene Klappluken. Auch wenn es im Sturm kopfüber auf dem Meer hätte schwimmen müssen – wasserdicht war die Maxime. Gedanken zu Sicherheit (Reling), Kutter-Rigg (einfacheres Handhaben) und Atmosphäre in der Kajüte (Gardienen) haben zum Gelingen beigetragen. Vertrauen und Atmosphäre fördert eine Nonstopfahrt. All das hatte mein Schiff und war daher für meine Begriffe das vermeintlich richtige: belastbar und robust, zugleich technisch durchdacht (ohne Pipapo).

2. Was heißt nonstop

Nonstop steht für: ohne Hafen, ohne Bucht und ohne Hilfe um die Erde. Es darf keinerlei Material oder Proviant unterwegs gebunkert werden. Folglich völlig autark aus eigener Kraft und mit der Ausrüstung, die man an Bord hat, klarkommen. Die Route führt ostwärts ums Kap der Guten Hoffnung, durch das Südpolarmeer und ums Kap Hoorn. Für uns Deutsche aber ist schon das Stück Nordsee, Englischer Kanal und Biskaya kein Zuckerschlecken. Die Weite des Meeres, der lange Zeitraum und die Nähe zu den stürmischsten Seegebieten der Erde macht die Nonstoproute für einen Alleinsegler zu etwas Besonderem.





3. Mut, Willen

Warum habe ich keine Nachfolger hierzulande? Es fehlt an Mut, an Leidenschaft für die Sache, der unbedingte Wille. Ein vages Bedürfnis nach Nonstop ist nicht ausreichend, es muss ein drängendes Verlangen sein. Nicht nur unterwegs, schon im Vorfeld. Das Streben nach seglerischer Selbstständigkeit beinhaltet auch, sich die Zeit zu nehmen für die Mittel, die man benötigt. Das dauert meist Jahre, und das ist sicher bei jungen Leuten das Problem, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Streben nach einem einmaligen Erlebnis im einmaligen Leben. Denn wenn es etwas gibt, was sich mehr lohnt als alles andere, so ist es das absolute, das freie Segeln. „Wenn du es wirklich willst, dann schaffst du es auch.“

4. Wissen

Ich hatte Erfahrung, sicher. Drei Reisen um den Erdball standen im Logbuch. Trotzdem nicht das Wissen, wie ich in den antarktischen Seen mit einem relativ kleinen Boot seemännisch zurechtkomme. Bücher dazu gab es wenige, und die von katastrophalem Nutzen. Mein Antrieb basierte eher auf Neugierde. Auch eine Nonstopumseglung bildet. Man kommt zurück und fühlt sich mit einer Reihe Diplomen der Meereslandschaft ausgezeichnet. Du bist nämlich nicht nur Segler, du bist alles an Bord.



5. Angst

Klar hatte ich Angst. Was Wunder, zu Hause eine Familie, die wartet, ein Haus, ein großer Garten in einer schönen Landschaft. All das wirkte in kritischen Situationen bedrückend. Es beflügelte zumindest nicht. Aber ich hatte niemals soviel Angst, dass ich mein Boot vernachlässigte, meinen Aufgaben an Bord nicht nachging. Es war eine gesunde Angst. Eine Angst im Sinne von Vorsicht. Das heißt, mit dem Angesicht zum Wetter zu stehen und nicht mit dem Rücken. Dem Geschehen ins Auge sehen, auch wenn man nicht weiter weiß. Angst lehrte mich Hinsehen, Hinsehen und Nichtverzagen sondern Tun. Etwas tun. Man merkt, wie verschieden Wellen in Stürmen sind. Man lernt die See zu lesen – und entsprechend zu reagieren. Ja, ich habe sie gekannt, meine Polarwelt. Aber meine Möglichkeiten auch. Ich wurde zum realistischen Weltumsegler.

6. Freiheit

Die Freiheit auf dem Meer gibt es nicht mehr. Sagen häufig Weltumsegler. Unsinn, man muss sich nur mehr anstrengen. Und: Man muss sie auch wollen. Für mich bedeutet die große Freiheit das Nonstopsegeln um den Erdball. Ich mag die Tatsache, dass es eine Aufgabe gibt, die man für lange Zeit ganz allein und unabhängig ausführen kann. Allein mit sich, dem Meer, dem Boot. Allein mit meinem Log-Tagebuch und der damit verbundenen Innerlichkeit. Auch mit Leid und großen Freuden kann ich unterwegs herrlich allein umgehen. Das Meer bietet mir den äußeren Grad an Freiheit. Keine Mitwisser. Keine Besserwisser. Kein Niemand.





7. Ernährung

Sie interessiert immer wieder. Vorab: Ich meine, ich lebte in den neun Monaten auf See gesünder als im Landleben. Auch ohne Frischproviant und andere Einkaufmöglichkeiten. Da war zum Einen die wirklich frische Luft. Zum Anderen selten Eile oder gar Hetze. Selten wurde ich beim Kochen und anschließendem Speisen gestört – „kein Schwein ruft mich an“. Natürlich habe ich meinen Proviant sehr sorgfältig ausgesucht. Viel Haferflocken, Dörrobst, Knäckebrot und als Grundnahrung: Reis, Nudeln, Zwiebeln und viel Milch (Pulvermilch). Von Astrid bestes Rindfleisch in Einmachgläsern! Außer Gemüse und Früchten habe ich kaum Dosen geöffnet. Auch wenig Süßkram, Zucker. Ich kam dünn zurück, nicht ausgehungert. Kurzum: Ich kam 1985 fit und gesund zurück – trotz der (harten) Nordsee und der dänischen Gewässer am Ende der Reise.

8. Das Schöne

Nur Wasser? Nein. Es gibt die Seevögel. Ab und an auch einen Fisch. Und Wolken über Wolken. Der Himmel im Süden schreit nach Ansicht. Es gibt diese Stunden/Tage, wenn der Horizont schwach zu erkennen ist, und der Himmel ins Meer fließt. Ein zerrissenes Blau geht ins Grau wie auf einem abstrakten Gemälde. Das sind unvergessliche Momente. Dann einmalig die großartigen Kaps zu runden. Sie bieten Respekt und Schönheit zugleich, und wenn es nicht schön ist, macht man es sich schön, indem man ein paar Feierstunden einlegt. Segel kürzen, sich waschen, frische Kleidung überstreifen und etwas Leckeres kochen. Sodann ganz entspannt weglöffeln und nicht an Meilen, Wetter oder Ziele denken. Elend ist mir seit dem Nonstopabenteuer geläufig, aber auch Schönheit. Die Kaps oder bestimmte Längengrade zu passieren – das macht einfach glückselig. Die See als pure Natur wirkt immer. Ein Beispiel: Am Niedergang zu stehen und zu schauen, wie der Bug das Wasser wegdrückt. Formidabel. Das kann ich stundenlang – ohne zu ermüden.

9. Anerkennung

Hm. Das sieht jeder anders. Mir war in der Segelei der selbst geschaffene persönliche und materielle Erfolg wichtiger als Ehrungen und Schulterklopfen. Ich hatte Glück, drei große Partner (im Nachhinein) standen auf meiner Seite: „Stern“, Dugena, Messe Düsseldorf. Damit ist man unabhängig und hat Eigenmittel, um in etwas Neues zu investieren.

10. Das Ergebnis

Der Gang. Die Sprache. Die Bewegungen. Ich war stolz und irgendwie nicht verletzbar, nicht angreifbar. Ich war ich. Ich startete ohne Verpflichtungen und kam mit der Sonne auf dem Buckel zurück. Punkt. Und ich war stark. Glaubte alles leisten zu können. „Mach ich“, hörte ich mich stets sagen. Ein Buch schreiben? In drei Monaten? Kein Problem. Und so war es auch. Ich schrieb ausschließlich kurze Sätze. Das Ergebnis: ein dünnes Buch (ist auch nicht so viel an Unwägbarkeiten passiert). Es wurde mein am besten Verkauftes.

11. Für wen

Für Zweifler und die nur an ein Leben glauben. Und in dem einen Leben sich total einer Sache verschreiben wollen: NONSTOP. Für junge Menschen sowieso. Junge, die zwar wissen wie es beruflich läuft aber unzufrieden sind mit dem, was sie machen. Die bei dem Gedanken Arbeitstag, Feierabend, Urlaub bis in den Ruhestand nein sagen. Auch für diejenigen, die nicht in den gewohnten Lebensrahmen passen. Es gibt gerade für junge Menschen viele Gründe nonstop zu segeln. Sich und seine Möglichkeiten kennenzulernen – zum Beispiel. Sich weiter zu bilden – ein anderes starkes Argument. Sich voll anzustrengen. – Seit einem Jahr ist nonstop auch verstärkt ein Thema für Mädchen. Also: Los geht’s. „Wenn du es wirklich willst, schaffst du es auch.“

12. Kosten

Anregungen ohne Kostenideen sind Käse. Also: Meine Reise damals hat 122000 Mark (inklusive Boot, Ausrüstung, Proviant) gekostet. Heute wäre diese Summe in etwa in Euro anzulegen. Von null angefangen ein weiter Weg, ein harter Weg.






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